Erregung und Hemmung

 

Für das Verhalten des Organismus sind die Grundprozeße Erregung und Hemmung bestimmend, da sie die Anpassung an die Umwelt durch die Bildung neuer und das Erlöschen alter bedingter Reflexe gewährleisten.
Sie sind Tätigkeiten des Nervensystems die eng miteinander verbunden sind und in ständiger Wechselwirkung miteinander stehen.

 

Sie sind elementarer Bestandteil der Abrichtung

 

Je besser das Gleichgewicht dieser beiden Prozesse ist, umso exakter sind die Reaktionen. Nur bei wenigen Hunden findet man vollkommene Ausgeglichenheit. Der Ausbilder ist jedoch in der Lage, diesem Idealfall durch Veränderung der Reizintensität nahe zu kommen.

Erregung

Zustand erhöhter Aktivität und Reaktionsbereitschaft auf Grund hohen Reizangebotes. Das Tier befindet sich in aktiver Beziehung zu seiner Umwelt. Die Erregung hat bestimmte Stoffwechselvorgänge in den Nervenzellen zur Folge, welche sich in Aktionen von Nerven, Muskeln und Drüsen äußern.

Hemmung

Zustand innerhalb des Nervensystems, der eine Erregung beseitigt oder ihr entgegen wirkt. Die Hemmung schützt den Organismus vor Schäden durch zu hohe Belastungen. Die Hemmung äußert sich in einer vollständigen oder teilweisen Passivität gegenüber der Umwelt. Die auftretende Ermüdung ist eine Hemmung mit dem Ziel der Regenerierung der Kraft. Die Ursache kann nervliche, hormonelle, pharmakologische oder stoffwechselbedingte Auslöser haben. Die Hemmung ist nicht nur ein Zustand der Ruhe, sondern sie ist genauso aktiv wie die Erregung.

Beispiele:
Der Nahrungsreflex wird durch Hunger erregt und löst die Rastlosigkeit und Unruhe aus, die man kennt, wenn der Hunger nicht gestillt ist (Appetenz). Die Sättigung löst die Hemmung aus, wodurch es zu einer Unterbrechung des Nahrungsreflexes kommt.

Der Hörlaut "Such" löst als akustischer Reiz den Nahrungsreflex aus, nachdem der Hund durch entsprechende Übung ( Bildung eines bedingten Reflexes ) erfahren hat, daß er über den Gebrauch der Nase zu einer Futterbelohnung gelangt. Die Erregungsphase ist umso stärker, umso größer der Hunger des Hundes. Die Hemmung wird durch die Futteraufnahme ausgelöst.
Die Erregung kann aber auch durch die Bildung eines weiteren bedingten Reflexes - Verweisen eines auf der Fährte liegenden Gegenstandes - unterbrochen werden, der dann für sich die Hemmung auslöst.

Die verschiedenen Hemmungsarten sind in der Abrichtung von besonderer Bedeutung.

Man kennt zum einen die äußere unbedingte Hemmung, welche sich in einfache und Überbelastungshemmung gliedert, sowie die innere bedingte Hemmung, die in erlöschende Hemmung und Differenzierungshemmung unterteilt wird.

a. Einfache Hemmung

Während des Ablaufs eines bedingten Reflexes, wirkt ein neuer zusätzlicher Reiz auf den Hund ein, der eine stärkere Erregung hervorruft.

Beispiel: Hund folgt einer Spur (Wild oder menschliche Fährte) und hört plötzlich ein lautes Geräusch

Diese Hemmung ist biologisch bedingt und für den Hund lebensnotwendig. Da der neue Reiz eine Gefahr darstellen könnte, auf die das Tier entsprechend reagieren müßte.

Bestimmte Reize verlieren durch Gewöhnung an Signalbedeutung => erlöschende Hindernisse

Deshalb muß der Hund in der Abrichtung an möglichst viele Begleiterscheinungen des täglichen Lebens herangeführt und mit ihnen vertraut gemacht werden.

Die Reizerreger behalten auch bei Wiederholung ihre hemmende Wirkung => nicht erlöschende Hindernisse

Treffende Beispiele sind hier der gefüllte Darm und die gefüllte Blase. Durch entsprechenden Auslauf kann diese Hemmung vom Abrichter vermieden werden.

Ein weiteres Beispiel ist der Geschlechtsreflex, dessen Erregung den Ablauf bedingter Reflexe bei beiden Geschlechtern völlig hemmen kann.

b. Überlastungshemmung

Diese Art der Hemmung wird in der Abrichtung oft unterschätzt.

Sie ist ein Selbstschutz des Nervensystems vor Überbelastung. Sie kann schlagartig oder allmählich auftreten und äußert sich in der Verlangsamung der psychischen und motorischen Vorgänge über den Verlust von Antrieb und Ausdruck bis zur völligen Hemmung(Versagen).

Das Eintreten der Hemmung ist abhängig vom Alter des Hundes, Grad der Anforderung, vom antrainierten Leistungsvermögen, der Aufnahmefähigkeit, dem körperlichen und geistigen Zustand sowie den Fähigkeiten des Abrichters und seiner Hilfspersonen. Ruhe ist in den meisten Fällen das geeignetste Mittel bei Anzeichen von Überbelastung.

c. Erlöschende Hemmung

Wird der einmal gebildete bedingte Reflex nicht ständig wiederholt und bekräftigt, verliert der bedingte Reiz (Hör-, Sichtzeichen) seinen Signalcharakter.

Der Hund arbeitet unsauber, unvollständig und führt bestimmte Übungen nicht aus.

Dies bedingt eine konsequente Arbeitsweise des Hundeführers (HF), d.h. der Hund muß wissen, daß ein bestimmter Reiz (Hör-, Sichtzeichen) ein bestimmtes Verhalten ( bedingter Reflex ) fordert, welches ggf. mittels ursprünglicher Einwirkung ( unbedingter Reiz ) abverlangt wird. Eine Ausweichmöglichkeit ist für den Hund nicht vorhanden. Durch das notwendige ständige Training wird der sogenannte Reflexbogen gebildet.

d. Differenzierungshemmung

Sie ist für die Analyse der Umwelt und der Orientierung des Tieres von biologischer Bedeutung. Durch diese aktive Hemmung ist der Hund in der Lage Dinge zu unterscheiden, die sich in ihren Erscheinungen ähneln, z.B. Hörlaute, Sichtzeichen, Körperhaltungen, Gerüche. Auf dieser Grundlage werden in der Fährtenarbeit und Suchhundarbeit, Reaktionen auf andere Gerüche gehemmt. Diese Hemmung ist so sensibel, daß selbst geringste Gemütszustände des HF registriert werden.

Für den HF mit Prüfungsangst und Übernervosität tritt dies besonders negativ in Erscheinung, wenn Bewegungsabläufe, Vorbereitungshandlungen sowie Hör- und Sichtzeichen nicht mehr in der Form gegeben werden, wie im Übungsprozeß.

Beispiele:
- fehlende Körperhilfe
- fehlende Abrichtungshilfen wie Ball und Futter
- überhastete oder unsichere Vorführung
- undeutliche Kommandos

Die für den Hund völlig veränderte Situation verunsichert ihn und führt zu Fehlleistungen. Da der Hund menschliche Sprache nicht versteht, sind die Hör- und Sichtzeichen deutlich und differenziert zu geben. Übungsabläufe sind weitgehend der Prüfungssituation anzugleichen.